Ein Funkenmariechen beim Rosenmontagszug in Mainz
Ein Funkenmariechen beim Rosenmontagszug in Mainz© DAAD/ Thomas Ebert

Die "fünfte Jahreszeit"

Alaaf! Helau! Bevor die Fastenzeit vor Ostern beginnt, wird vor allem entlang des Rheins noch einmal so richtig gefeiert: Hier ist der Karneval zu Hause. Pappnase auf und los geht’s!

Karneval – die „fünfte Jahreszeit“

Karneval, Fasching oder Fastnacht – der Name des Fests ist je nach Region unterschiedlich. Überall jedoch gehören bunte Kostüme und jede Menge Spaß dazu. Am 11.11. um 11:11 Uhr geht es los: Die „fünfte Jahreszeit“ beginnt. So nennen Karnevalistinnen und Karnevalisten die Monate bis zum Aschermittwoch, mit dem die Fastenzeit beginnt. Auch als „Session“ ist die Zeit bekannt, was so viel heißt wie „Sitzung“ oder „Versammlung“. Im Karnevalskontext wird „Session“ nicht englisch wie im Wort „Jam-Session“, sondern deutsch ausgesprochen. Ihren Höhepunkt findet die Session im Frühling, kurz vor dem Beginn der christlichen Fastenzeit. Und obwohl in Deutschland mittlerweile nur noch wenige die Tradition der Fastenzeit verfolgen, die Party zu Karneval feiern sie trotzdem.

Fleisch, leb wohl – die Geschichte des Karnevals

 

Etwa mit aufwendigen Kostümen weist der Karneval in Deutschland zwar einige Parallelen zum Karneval z. B. in Rio de Janeiro oder Venedig auf, doch in den deutschen Karnevalshochburgen gibt es viele eigene Bräuche und Traditionen.

Karnevalszug am Rosenmontag
Karnevalszug am Rosenmontag© Kölner Karneval

Der Start ins Karnevalswochenende

Zu „Weiberfastnacht“ am Donnerstag feiern, der Name verrät es bereits, vor allem die Frauen. Karneval war schon immer ein Fest, bei dem Rollentausch an der Tagesordnung war: Hierarchien wurden aufgehoben, Bedienstete feierten mit ihren Herren. Und auch die Feierlichkeiten zu Weiberfastnacht sind geprägt von einer Umkehr: Die Frauen stürmen symbolisch das Rathaus, das in der Vergangenheit nur den Männern vorbehalten war und haben für einen Tag das Sagen.

Diese Tradition geht auf das Jahr 1824 in der rheinischen Stadt Beuel (heute ein Stadtteil von Bonn) zurück, als eine Gruppe von Wäscherinnen vor dem Rathaus demonstrierte, um gegen die Ungerechtigkeit zu protestieren, dass sie lange arbeiten mussten, während die Männer Karneval feiern durften. Zu den skurrilen modernen rheinischen Bräuchen an diesem Tag gehört, dass sich die Frauen das Recht vorbehalten, die Männer in ihre Schranken zu weisen, indem sie ihnen die Krawatten abschneiden.

Ähnlich wie zum Karneval selbst, gibt es auch für Weiberfastnacht verschiedene Begriffe. So heißt der Tag in Baden-Württemberg „schmotziger Donnerstag“, in Aachen (neben Köln eine weitere Hochburg des Karnevals) „Fettdonnerstag“ und dort, wo der Karneval Fasching heißt, „Altweiberfasching“.

Zwei Clowns jubeln auf einem Karnevalsumzug in Düsseldorf
Zwei Clowns jubeln auf einem Karnevalsumzug in Düsseldorf© flickr/ citanova

 

Bräuche in der närrischen Zeit

Die wohl wichtigste Tradition sind die Kostüme, die die Menschen zu Karneval tragen. Ob als Prinzessin, Clown, Gespenst oder Pirat – viele Feiernde lieben es, sich in ihren ausgefallenen oder auch klassischen Kostümen zu präsentieren. Wie an Halloween gibt es vor dem Fest fast überall welche zu kaufen; viele basteln sich ihre Kostüme aber selbst oder borgen sie beim Kostümverleih aus.

 

 

Die Zahl elf

Als der Karneval nach langjähriger Unterbrechung wieder gefeiert wurde, wurde die Elf als eine Zahl der Gleichheit etabliert – unter der Narrenkappe sind alle eins. Auch aus dem Christentum gibt es eine Herleitung: Es gibt zehn Gebote, die Elf übersteigt damit das Maß und gilt als närrisch. Eine andere Erklärung ist, dass am 11. November die Zeit der landwirtschaftlichen Arbeit zu Ende ging. Die Landarbeiterinnen und -arbeiter bekamen ihren Lohn ausbezahlt und feierten ausgelassen.

Hier wird gefeiert

Karneval, Fastnacht oder Fasching sind vor allem im Westen Deutschlands und besonders im Rheinland beliebt, aber auch in Bremen und in Cottbus gibt es Vereine und Feierlichkeiten.

Für viele gilt Köln als Hauptstadt des deutschen Karnevals, doch das hören manche Menschen in Düsseldorf, Aachen oder Stuttgart nicht gern. Viele Städte haben ihre eigenen Faschings- oder Karnevalsbräuche. Trotz mancher Überschneidungen sind die Menschen vor Ort jeweils stolz auf „ihre“ Tradition. Beim Planen deines Karnevalswochenendes solltest du dich bewusst für eine Stadt entscheiden und vorab herausfinden, wie dort gefeiert wird.

Auch in vielen Stadtteilen und Dörfern gibt es kleinere Umzüge, die weniger stark besucht sind, aber bei denen sich ein Besuch lohnt.

Alaaf! Helau!

Alaaf oder Helau?

Auch für Begrüßungsformeln gibt es in den Karnevalstagen eigene Regeln. Achtung: Wer in der falschen Stadt das falsche Wort ruft, kann böse Blicke ernten. Die geläufigsten Rufe sind „Helau“ und „Alaaf“, oft sagt man den Namen der Stadt vorab. Hier die wichtigsten Beispiele:

Köln: (Kölle) Alaaf!

Bonn, Leverkusen: Alaaf!

Düsseldorf, Mainz, Koblenz: Helau!

In manchen kleineren Orten ruft man etwas anderes, in den Grenzregionen teils sogar eine Mischung aus beidem – wer sich unsicher ist, fragt vor den Feierlichkeiten vorsichtig nach.

Das Bonner Prinzenpaar 2020 mit der Karnevalsprinzessin der Vereinten Nationen
Das Bonner Prinzenpaar 2020 mit der Karnevalsprinzessin der Vereinten Nationen© Barbara Frommann/Universität Bonn/Universität Bonn

In vielen Regionen, insbesondere im Rheinland, gibt es Karnevalsvereine, die einen Karnevalsprinzen küren. In Köln bildet er zusammen mit der Jungfrau und dem Bauern das Dreigestirn, in anderen Regionen hat er eine Prinzessin an seiner Seite. In Düsseldorf gab es 2020 das erste homosexuelle Prinzenpaar. Der Prinz und seine Gefolgschaft haben nicht nur den Vorsitz bei Karnevalssitzungen, sondern thronen auch auf den Wagen der Rosenmontagsumzüge. Dabei tragen sie Uniformen mit Kappen, die an die Hüte von Narren erinnern.

Stunksitzungen

Bei sogenannten Stunksitzungen werden in der Zeit von November bis zum Frühling Reden gehalten und Sketche aufgeführt. In diesen Reden wurden traditionell vor allem der Adel und die herrschende Klasse auf den Arm genommen, und noch heute geht es vor allem um die Politik und gesellschaftliche Entwicklungen.

Weitere wichtige Programmpunkte bei diesen Sitzungen sind Auftritte von Tanzgruppen – die sogenannten Funkenmariechen tragen meist lockige Perücken und glitzernde, an Uniformen erinnernde Kostüme und zeigen großes akrobatisches Geschick.

 

Der Rosenmontagsumzug

Der Höhepunkt jeder Karnevalssession sind die großen Umzüge in Metropolen wie Köln, Mainz und Aachen. Geschmückte Wagen, deren Gestaltung Ereignisse der vergangenen Monate aufgreifen, fahren durch die Städte. Begleitet werden die Wagen von Musikgruppen, sogenannten Spielmannszügen, und von Funkenmariechen-Tanzgruppen. 

„Ich wusste, dass die Deutschen Regeln lieben. Für mich war es daher keine Überraschung, dass es mit dem Karneval eine Regel gibt, die es den Deutschen erlaubt, ausgelassen zu feiern.“

Dasha über Karneval in Deutschland

Die Straßen werden von vielen kostümierten Schaulustigen gesäumt. Für die Kinder unter ihnen sind vor allem die „Kamellen“ interessant: Süßigkeiten und kleine Geschenke, die die Verkleideten von den Wägen in die Menge werfen, die mit großer Begeisterung gefangen oder vom Boden aufgesammelt werden.

Was Dasha über Karneval in Deutschland denkt, liest du in ihrem Interview.

Wer hat Schuld? Der Nubbel!

Am Faschingsdienstag wird in einigen Städten eine Strohpuppe verbrannt. Alle Sünden, die in der närrischen Zeit begangen wurden, werden symbolisch diesem „Nubbel“ (Köln), „Hoppeditz“ (Düsseldorf) oder „Bacchus“ (Ruhrgebiet) zur Last gelegt. Meist wird er mit einer feierlichen Zeremonie angeklagt und dann in Brand gesteckt.

 

Und jetzt: Mitfeiern!

Eine Reise zum Karneval sollte frühzeitig geplant sein. Unterkünfte in den Orten der Feierlichkeiten sind zu dieser Zeit meist schon Monate im Voraus ausgebucht und Züge, die in die Karnevalshochburgen fahren, meist voll.

Bei großen Ansammlungen von Menschen kommt es häufiger zu Taschendiebstählen als im normalen Alltag. Am besten, du gehst gemeinsam mit Freundinnen und Freunden zum Karneval. In der Gruppe könnt ihr aufeinander achtgeben.

Wann Umzüge starten und wie deren Routen aussehen, lässt sich auf den Websites der jeweiligen Städte herausfinden. Oft lohnt es sich, einige Zeit vor dem Start des Umzugs vor Ort zu sein, denn natürlich kommen auch hier viele Menschen zusammen.

Während der Besuch der Umzüge und des Straßenkarnevals kostenlos ist, gibt es auch Partys und Veranstaltungen wie die Stunksitzungen, für die man sich rechtzeitig um Tickets kümmern sollte.

Solltest du nun Lust bekommen haben, diese Feierlichkeiten zu erleben, informiere dich, wann und wo Karnevalssitzungen, -partys und -umzüge stattfinden und genieße diese tolle Tradition der Narren in ihrer eigenen närrischen Jahreszeit!

Und jetzt: Alaaf, Helau und viel Spaß!