Testimonial Roberta schaut zu beim Christopher Street Day in Köln.
Testimonial Roberta schaut zu beim Christopher Street Day in Köln. © DAAD/ Daniel Reuber

Pride Paraden in Deutschland – Voller Stolz gegen Vorurteile

Hunderttausende Menschen gehen bei Demonstrationen auf die Straße, um sich bunt und schrill für Vielfalt, Gleichstellung und Toleranz einzusetzen: Allein in Deutschland findet der Christopher Street Day (CSD), wie die Pride-Veranstaltungen hier meist heißen, jedes Jahr in mehr als 110 Städten statt.

Farbenfrohe Stimmung 

Regenbogenfahnen, wummernde Beats, feiernde Menschen und ausgelassene Stimmung: All das gehört zum Christopher Street Day (CSD), der mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist aus dem Sommer-Veranstaltungskalender vieler Städte in Deutschland. Doch die CSD-Paraden sind eben viel mehr als bloß ein buntes Entertainment-Event. Toleranz, Respekt, Diversität und Gleichberechtigung – für viele Teilnehmende sind diese Begriffe die entscheidende Motivation, sich zu engagieren und an den Demonstrationen teilzunehmen. Die verbindende Botschaft: In Freiheit lieben zu dürfen, egal wen und welches Geschlecht. Ohne Angst vor Diskriminierung und Gewalt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – und in weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert. Doch längst nicht überall.

Deutschland gilt im internationalen Vergleich als offen und tolerant. Das liegt insbesondere an den queeren Metropolen wie Berlin, Köln, Frankfurt oder Hamburg. Dennoch werden auch hier immer noch Personen angefeindet. Ein Umstand, auf den die LGBTQIA+ Community seit mehr als 50 Jahren im Rahmen des CSD hinweist – und Veränderungen hinzu mehr Gleichberechtigung fordert.

drei LGBTQAI+ Flaggen wehen im Wind
LGBTQAI+ Flaggen© DAAD/Daniel Reuber

LGBTQIA+

Rechtlichen Rahmenbedingungen

In Deutschland sichern Gesetze wie das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz allen Bürgerinnen und Bürgern die gleichen Rechte zu, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung. Das verbietet auch eine Diskriminierung von homo-, bi- und intersexuellen sowie transgender und queeren Personen.

CSD oder Pride?

Der Begriff „Christopher Street Day“ ist nur in Deutschland oder der Schweiz geläufig. International heißen die Veranstaltungen „Pride“ oder „Gay Pride“.

Der Ursprung: Die Schwulen- und Lesbenbewegung kommt nach Deutschland

Der Ursprung des CSD liegt im Jahr 1969 in New York. Immer wieder fanden damals Razzien der New Yorker Polizei in Bars statt, die insbesondere von homo- und transsexuellen Menschen besucht wurden. Den Betroffenen drohten Festnahmen und die Veröffentlichung mit teilweise dramatischen sozialen Auswirkungen. Gegen diese staatliche Willkür und die gewaltsamen Übergriffe der Polizei widersetzten sich am 28. Juni 1969 Anwesende in der Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street. Es folgten eine breite Solidarisierung und tagelange Straßenschlachten. Diese Ereignisse waren ein entscheidender Wendepunkt für die LGBTQIA+ Community im Kampf für Anerkennung und Gleichberechtigung. Für viele markiert dieses Ereignis den Beginn der Schwulen- und Lesbenbewegung.

Die Parade des Chrisopher Street Day zieht über eine Brücke in Köln, im Hintergrund der Dom
Christopher Street Day in Köln im Juli 2023© DAAD/Daniel Reuber

1979 – die ersten CSD-Kundgebungen in Deutschland

Nach den Ereignissen im „Stonewall Inn“ folgten zahlreiche große Demonstrationen, in vielen Städten weltweit. Die ersten organisierten CSD-Paraden in Deutschland fanden 1979 in Berlin und Bremen statt. Einige hundert Menschen kamen damals zusammen. Eine Zahl, die sich in den kommenden Jahren deutlich erhöhen sollte. Eine der wichtigsten Forderungen der Anfangsjahre war, den Paragrafen 175 ersatzlos zu streichen. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Doch die Gesetzesmühlen mahlten langsam: Erst seit dem 11. Juni 1994 ist die strafrechtliche Vorschrift abgeschafft.

Mehr als eine Million Teilnehmende beim CSD in Berlin

Heute finden die größten CSD-Paraden in Köln, Berlin, Hamburg und Stuttgart statt – mit mehreren hunderttausend Teilnehmenden. Im Jahr 2019, zum 50-jährigen Jubiläum der Ereignisse im „Stonewall Inn“, zählten die Veranstaltenden des CSD in Berlin rund eine Million Menschen. Doch auch in vielen kleineren Städten wie Landshut, Cloppenburg oder Bad Hersfeld gehen Menschen jedes Jahr in den Sommermonaten für ihre Rechte auf die Straße.

Zu den Personen die regelmäßig einen CSD besuchen, zählt auch Lilit, die für ihr Studium nach Flensburg kam. Das erste Mal war sie 2018 bei einer Pride Parade in Amsterdam, später nahm sie an den Paraden in Hamburg und Flensburg teil: „Ich hatte das Gefühl, an einem Ort zu sein, an dem Menschen frei sind und sich ungeachtet ihres Outfits, ihrer Frisur oder ihrem Auftreten frei ausleben und ausdrücken können“, sagt sie. „Beim ersten Mal war ich noch schlicht angezogen, die nächsten Male trug ich ziemlich viel Make-up – das mochte ich sehr.“

In Lilits Heimat Armenien sind solche Paraden verboten: „In der Region wird Homosexualität von der Gesellschaft tabuisiert“, erklärt sie. „Ich zähle mich selbst zur Community dazu und so war es für mich besonders wichtig, zur Parade zu gehen und meine Unterstützung zu zeigen.“

 

Zwei Frauen die in der Menge und mit LGBTQAI+ Fahnen auf dem T-Shirt jubeln
Bei der Parade mitzulaufen heißt sich für die LGBTQAI+ Community einzusetzen © DAAD/Daniel Reuber

Über Lilit

Lilit arbeitet bei der Stadt Flensburg als Sprach- und Kulturvermittlerin für ukrainische Geflüchtete. Außerdem hat sie einen Job bei der Hochschule Flensburg. Sie ist 35 Jahre alt und studiert Medieninformatik mit dem Schwerpunkt Film.

Das erste Mal beim CSD

Gibt es Regeln, die Teilnehmende beim Besuch eines Christopher Street Days (CSD) kennen und beachten sollten? sagt, es ist wichtig, sich einfach zu trauen und mit einem Kulturschock zu rechnen: „Es ist gut, wenn die Teilnehmenden ihre Botschaften über ihre Kleidung oder ihren Look ausdrücken“, sagt sie. „Ach und vergesst eure Poster und Slogans nicht: ‚Love Is Love‘ oder ‚Make Love, Not War‘.“

Denn darum geht es bei der Parade für : „Niemand sollte sich aufgrund seiner oder ihrer Sexualität schämen müssen. Wir sind alle unterschiedlich und die Paraden sind ein Zeichen der Solidarität.“

 

 

Über Roberta

Roberta studiert English Studies in der bunten Metropole Köln. Sie trägt bei zu verschiedenen sozialen Projekten und es ist ihr wichtig, dass man sich seinen Unsicherheiten stellt und offen in die Welt blickt. 

Auch war in Deutschland zum ersten Mal beim CSD in Köln: „Die Stadt erschien mir zuvor nie so voller Leben wie zu diesem Event. Bei keiner Parade und keinem Event habe ich je so viel Liebe gespürt und gesehen wie beim CSD.“

Die Atmosphäre war großartig

Roberta - über den CSD in Köln

Roberta von hinten in der Menge
Roberta hat am CSD in Köln teilgenommen© DAAD/Daniel Reuber

Für Diskriminierungen gibt es auf dem CSD keinen Platz. Und beim Programm ist für alle etwas dabei, denn die unterschiedlichen Veranstaltungen sind so bunt und vielfältig, wie die Menschen, die den CSD feiern.

Showacts und Livemusik gehören zum CSD wie politische Kundgebungen und Reden auf der Bühne, dazu fahren bunte Demonstrationszüge mit aufwendig gestalteten Wagen durch die Stadt. Die Demonstrierenden und Feiernden tragen oft farbenprächtige Outfits und Banner mit ihren Botschaften. Damit sind sie ein unübersehbares Symbol für die Vielfalt der Gesellschaft. Das eigene Outfit darf daher auch gern bunt und gewagt sein. Einen offiziellen Dresscode gibt es für eine Pride-Parade nicht – der eigenen Kreativität sind auch modetechnisch kaum Grenzen gesetzt: „Toleranz gegenüber Anderen sorgt für Veränderung in der Gesellschaft, Homophobie sorgt für Rückschritt“, so Lilit. „Jährliche Paraden helfen, für mehr Toleranz zu sorgen und das unterstütze ich.“

Und wo findet der nächste CSD statt? Informationen zu aktuellen Veranstaltungen finden Interessierte beispielsweise über den Dachverband CSD Deutschland e.V. Wer selbst als Verein oder Gruppe Mitglied des Netzwerks werden möchte, kann auf der Website auch einen Mitgliedsantrag ausfüllen. Zudem gibt es die Möglichkeit, als Volunteer bei den Veranstaltungen mitzuhelfen. Eine Anmeldung erfolgt über die Website des jeweiligen CSD. 

LGBTQIA+ Communitys an deutschen Hochschulen

Die meisten deutschen Hochschulen bieten Anlaufstellen für die LGBTQIA+ Community. Oft werden diese von Studierenden organisiert und sind Teil des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Die Informationen dazu finden sich auf den Homepages der Universitäten. Die Angebote reichen von gemeinsamen Grill- und Kochevents über spezielle Beratungsangebote. Vielleicht gibt es hier auch gemeinsame Aktivitäten zum CSD wie ein eigener Wagen bei der Parade oder einfach Gruppen, die gemeinsam zur Demo gehen und denen ihr euch anschließen könnt – fragt einfach mal nach.

Viele Universitäten haben darüber hinaus Gleichstellungs- oder LGBTQIA+ Referate eingerichtet. Sie setzen sich für einen Studienalltag ohne Diskriminierung ein und helfen Betroffenen. Traut euch, euch hier zu melden, falls ihr Erfahrung mit Diskriminierung gemacht habt und Hilfe braucht. (

 

Tipps zur Anreise zum CSD

Da bei vielen größeren CSD mehrere hunderttausende Menschen zusammenkommen können, ist es gerade bei diesen großen Paraden ratsam, rechtzeitig anzureisen und dafür den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen. Informationen zur genauen Route und aktuelle Infos zur Anreise finden sich auf den Websites der jeweiligen Veranstaltungen.

 

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